Halle/ Saale
Das ABC der*des Joey J
Comingout-Buch: „Halle/ Saale (ohne Regen)“
„Eine Geschichte mit einer Leiche anzufangen, eine Comingout-Story in der ostdeutschen Provinz der 90er Jahre, ist vielleicht nicht gerade ansprechend. Aber so war’s: Da war die Leiche, da war mein Comingout. Zeitgleich in etwa. Leiche zuerst.“
Aufwachsen in Ostdeutschland
„Halle/ Saale (ohne Regen)“ entstand für die jährliche Anthologie „Mein Lesbisches Auge“, in der ich regelmäßig Beiträge veröffentliche. Für das Jahrbuch 2021 gab es erstmals eine Themenvorgabe: Herkunft, Heimat, Region. Woher kommen die Lesben, wie wuchsen sie auf? Comingout ja/ nein? Was sagte die Familie dazu; gab es überhaupt Familie? Der Ort der Kindheit, der Jugend, die Prägung dadurch – das sprach mich an. Sehr. Ich hatte was zu erzählen. Also erzählte ich, vielmehr: schrieb. „Halle/ Saale (ohne Regen)“.
In der Anthologie, für die ich „Halle/ Saale (ohne Regen)“ ursprünglich schrieb, wurde die Geschichte gekürzt abgedruckt. Im Buch ist sie nun in voller Länge – dafür ohne begleitende Fotos, von denen es auch einige gab. Die wiederum gibt es in der Anthologie, „Mein Lesbisches Auge 21: Herkunftsgeschichten“, zu sehen.
Wie war’s also, in Halle/ Saale, in den 90er Jahren? Kurz nach Wende, kurz nach Ende der DDR? Als Lesbe, als junge Frau, auch irgendwie queer und überhaupt?
So war’s – lies rein:
Heimat, Herkunft, Region: Halle/ Saale
300.000 Einwohner*innen, Straßenbahnen fuhren (und fahren) da, ich verbrachte viel Zeit in ihnen, vor allem nachts. Punks gab es da, mit denen zog ich so rum, aß schlechten Döner mit ihnen. Dönerbuden gab es also auch (und gibt es ebenfalls immer noch, nehme ich an) – solche Buden, in denen Döner Seite an Seite mit Pizza und Pommes und chinesisch-asiatisch verkauft wird. Schreckliches Zeugs. Billiges Zeug. Billig gab es viel in Halle/ Saale. Billige Wohnungen, billigen Fusel. Den tranken die Punks; ich trank den nicht; ich trink überhaupt nicht, das tat mein Vater schon zur Genüge.
Vater: Alkoholiker
Hah! Jetzt ist er elegant eingeführt – mein Vater. Das ich wichtig, denn mit ihm geht es los, diese Geschichte. Die Geschichte eines Comingouts in der Provinz. Denn Provinz war Halle auch noch.
Homo-Disco
Provinz: Nur eine einzige Disco (ich tanzte wie verrückt), alle zwei Wochen sonntags. Später auch noch eine zweite, öfter, unregelmäßiger; selbstorganisiert, chaotisch, geil. Ein Café gab’s auch – eins für Schwule, für die älteren Semester. Die saßen da so rum den ganzen Tag, schauten aus dem Fenster auf die vorbeifahrenden Straßenbahnen.
Frauencafé
Und ein zweites Café: ein Café für Frauen, für Lesben, das dann später zum Zentrum wurde, Weiberwirtschaft, umzog, an einen anderen, größeren Ort in der Stadt, mit Garten und Platz (und noch immer Café ist, so nebenbei. Oder hauptsächlich Café, je nach Sichtweise und Bedarf).
Community!
Apropos Bedarf: Wenn es nur eine Botschaft gibt mit dieser Geschichte, ein Fazit, ein Anliegen, eben einen Bedarf, dann das: Die Welt braucht braucht braucht braucht braucht braucht braucht braucht BRAUCHT braucht Orte wie diesen. Explizite Orte für Lesben, für Frauen; zeitgemäßer auch für Queers, für trans*, für … ihr versteht schon. Für uns. Die Community. Für uns und von uns und mit uns. Denn dieser Ort, dieses Café, dieses Frauen-/ Lesbencafé in Halle an der Saale … Es rettete mir den Arsch.
1994, kurz nach der Wende
Zeit dieser Arschrettung: 1994. Im Mai irgendwann. Ich müsste mal auf den Totenschein schauen, den von meinem Vater. Aber da steht eh nur eine Schätzung, so richtig weiß keine*r, wann er starb, auf den Tag genau. Als ich ihn fand, sah er noch recht frisch aus, die Leiche. Ein paar Flecken im Gesicht und am Hals; den Rest sah ich nicht; der Rest war von einer Bettdecke bedeckt.
Bettdecke, Bett. Vater. Leiche.
Hah! Eine Geschichte mit einer Leiche anzufangen, eine Comingout-Story in der Provinz, ist …
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Hier geht’s zum Buch: „Halle/ Saale (ohne Regen)“
Das ABC der*des Joey J
Viele kürzere Texte sind bei mir über die Jahre hinweg in diversen Ablagen gelandet:
- Texte, die in keins meiner Bücher passten;
- Texte, die an sich ein Buch ergeben;
- Texte, die ich speziell auf eine Ausschreibung hin schrieb, die dann aber nicht genommen wurden, es aber doch wert sind, gelesen zu werden, und das nicht nur von mir.
Mal Biographie, mal Fiktion, Essay, Fundstücke, Entwurf … ein Kaleidoskop der Literatur, des Lebens.
Von A bis Z, wobei ich nicht strikt mit A anfange und mit Z ende, denn so ist mein Leben nicht. Mein Leben ist Sprünge, Brüche, auch Widersprüche – und das „ABC der*des Joey J“ entsprechend mit.
Hier findest du weitere Bücher der Reihe:
Joey von A bis Z
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